Meine Oma aus Ungarn

Womit ein Buch vorstellen, das von der eigenen Großmutter handelt? Vielleicht mit dem was die meisten über ihre Oma sagen würden: sie war die beste Oma der Welt.

Ich denke zurück an glückliche Kindheitstage, den Geruch frischer Pfannkuchen aus der Küche, ihre Liebe für Blumen, wie sie begeistert von Gerichtsshows im Fernseh erzählte oder ihre Fürsorge wenn man hingefallen war und das Knie leicht blutete. Wenngleich in Omas Befürchtungen aus einer kleinen Schürfwunde schnell ein komplizierter Beinbruch mit Riss des vorderen Kreuzbandes wurde. Typisch Großmütter eben.

Vor allem erinnere ich mich an Wärme und Geborgenheit. Etwas an das ich mich auch noch erinnere, sind die Worte meiner Eltern: „Oma ist nicht in Deutschland geboren. Sie kommt aus Ungarn und ist vor den Russen geflohen.“ Als Kind konnte ich freilich wenig damit anfangen – außer einer mehr oder weniger guten Erklärung woher Uromas „komischer“ Nachname kam.

Wirklich beschäftigt hatte ich mich mit ihrer Herkunft bis zu diesem Zeitpunkt nie. Das war halt so, dass Großmutter aus Ungarn kam. Punkt.

Die Erkenntnis nahezu nichts über ihre Vergangenheit zu wissen war sehr enttäuschend – schließlich ist dies auch Teil meiner eigenen Wurzeln.

Eine zunächst ernüchternde Einsicht, die jedoch den Keim für eine kreative Auseinandersetzung damit legen sollte.

Kurz vor Weihnachten 2012 saß ich im Zug und war auf dem Weg zu meinen Eltern. Ein paar Tage zuvor hatte ich Marjane Satrapis Persepolis gelesen und dachte während der Fahrt darüber nach. Dieses Buch erzählt autobiographisch die Flucht der Autorin aus dem Iran und ihre spätere Rückkehr.

Meine Gedanken fingen an sich Richtung Oma zu bewegen: „Sie war doch als kleines Mädchen auch auf der Flucht. Aber vor was? Was heißt: sie ist vor den Russen geflohen?“

Ich beschloss in den Weihnachtsferien auf Spurensuche zu gehen. Zunächst ohne künstlerische Hintergedanken, sondern rein aus Interesse an ihrer Person.

Durch das Zusammenkommen der Großfamilie konnte ich meinen Eltern, Tanten und Onkels Fragen stellen. Zusätzlich begann ich die historischen Hintergründe aufzuarbeiten.

Je mehr ich mich mit dem Thema auseinander setzte und darüber lernte, desto mehr kamen mir die Gedanken wie schade es sei dies alles nur für mich zu behalten.

Ist denn der eigentliche Sinn einer – oder in dem Fall – der Geschichte nicht jener, dass sie erzählt wird? Heute leben nur noch wenige, der damals Vertriebenen; wenn sie fort sind, dann stirbt auch ihre Geschichte. Eine schreckliche Vorstellung.

Dies festigte in mir den Entschluss die gesammelten Erzählungen und geschichtlichen Fakten in einer medialen Kunstform zu vereinen.